Tattoowierungen
Ursprung und Entwicklung..
Wegen der vielfältigen und über den ganzen Erdball verstreuten Hinweise kann davon ausgegangen werden, dass sich die Sitte des Tätowierens bei den verschiedenen Völkern der Erde selbständig und unabhängig voneinander entwickelt hat. Im Norden Chiles wurden 7000 Jahre alte Mumien gefunden, die Tätowierungen an Händen und Füßen aufwiesen. Die Gletscher-Mumie Ötzi trug vor über 5000 Jahren mehrere Zeichen, die mit Nadeln oder durch kleine Einschnitte unter die Haut gebracht worden waren.[1] Besonders aufwändige und großflächige Tätowierungen sind von den eisenzeitlichenSkythen, einem Reitervolk der russischen Steppe und des Kaukasus und aus der Pazyryk-Kultur im Altai bekannt. Dies scheint die häufig vertretene These zu widerlegen, dass die Sitte des Tätowierens ursprünglich aus Südwestasien stamme, sich von dort über Ägypten nach Polynesien und Australien ausgebreitet habe und schließlich nach Nord- und Südamerika weitergetragen wurde. In seiner rituellen Bedeutung ist es in Mikronesien, Polynesien, bei indigenen Bevölkerungen und z. B. auch den Ainu und den Yakuza (Japan) verbreitet.
Das Alte Testament verbietet die Tätowierung, wohl wegen der Verbindung mit dem Atargatis-Kult. „Und einen Einschnitt wegen eines Toten sollt ihr an eurem Fleisch nicht machen; und geätzte Schrift sollt ihr an euch nicht machen. Ich bin der Herr.“ (3. Mose 19,28). Tätowierungen waren jedoch bei einigen frühchristlichen Sekten üblich.[2]
Nach Strabo (Geographica) tätowierten sich die Carni, ein keltischer Stamm der österreichischen Alpen. Laut Herodian (III, 14) tätowierten sich auch die Thraker. Nach Caesar bemalten sich die Pikten auf dem Gebiet des heutigen Schottland (daher der Name), eine Tätowierung erwähnt er nicht.
Tätowierungen können sehr unterschiedliche Funktionen und Bedeutungen haben. Die Literatur nennt Funktionen als Mitgliedszeichen, rituelles oder sakralesSymbol, Ausdrucksmöglichkeit für Abgrenzung (siehe auch Bourdieu) und Exklusivität, Mittel zur Verstärkung sexueller Reize, Schmuck, Protest (Punk) und nicht zuletzt die der politischen Stellungnahme. Mit sogenannten Knast-Tätowierungen können Rangfolgen und „Kastenzugehörigkeiten“ etwa durch das Kreuz der Diebe dargestellt werden, sowie Funktionen, die der Häftling während der Gefangenschaft innehatte, wie beispielsweise „Schläger“, „Rowdy“, „Aufrührer“ oder „Boss“. Darüber hinaus gibt es Kennzeichnungen für Mörder oder „Lebenslängliche“, und auch die Meinung zur Justiz bis hin zu offenen Drohungen oder gar erfolgreich ausgeführte Rache können als Tätowierung kundgetan werden. Auch sexuelle Einstellungen werden durch Tätowierungen ausgedrückt. Angaben, in welchen Gegenden man bereits inhaftiert war, die Sehnsucht nach Freiheit oder der Vorsatz auszubrechen sind ebenso Themen wie die Anzahl der abzusitzenden Jahre, in der Anzahl der Holzscheite unter einem Feuer oder der Stacheln am Stacheldraht ausgedrückt werden können.
Adolf Loos bezeichnete in seiner Schrift Ornament und Verbrechen[3] die Tätowierung als Ornament.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden den Insassen eines Konzentrationslagers Häftlingsnummern eintätowiert. Mitglieder der SS besaßen Tätowierungen am linken, inneren Oberarm.
Vielen Haustieren wird ein Identifikationscode in die Haut tätowiert, damit die Tiere dem Halter zugeordnet werden können; bei Zuchttieren ist eine Tätowierung zur Identifikation üblich. Bei Nutztieren war lange Zeit das Brandzeichen üblich.
Bis 1890 wurden in Bosnien katholische Mädchen tätowiert, um einen Übertritt zum Islam zu verhindern. Armenische Christen hielten die Tradition der Pilgertätowierung bis zum Ersten Weltkrieg bei. So lange wurde diese Form der Markung in Jerusalem angeboten. Koptische Christen in Ägypten tragen noch heute ein Kreuz an der Innenseite des rechten Handgelenkes, um sich vom Islam zu distanzieren.[4] Trotz Verbotes zieht die Nachfrage nach Tätowierungen heute auch viele Christen an, die mit auftätowierten Kreuzen, Herzen, Engeln, dem Namen Jesu oder den gefalteten Händen Dürers zeigen wollen, dass ihnen der Glaube an Gott unter die Haut geht.
Eine Sonderform ist das sogenannte Permanent Make-up, bei dem die Konturen von z. B. Augen, Lippen usw. hervorgehoben bzw. nachgezeichnet oder schattiert werden. So lassen sich auch Operationsnarben kaschieren oder ein Brustwarzenhof rekonstruieren.
Eine sehr lange Tradition haben Tätowierungen (jap. Irezumi) in Japan. Die Anfänge der Tätowierung in Japan liegen vermutlich bei den Ainu. Zu Beginn der Edo-Zeit (1603 bis 1868) waren Tätowierungen unter anderem bei Prostituierten und Arbeitern sehr beliebt. Ab 1720 wurde die Tätowierung als eine Art Brandmarkung für Kriminelle eingesetzt, weshalb sich „anständige“ Japaner nicht mehr tätowieren ließen. Wer als Krimineller gezeichnet war, konnte sich nicht mehr in die Gesellschaft eingliedern, was zur Bildung einer eigenen Schicht führte: den Yakuza. Unter der Meijiregierung wurde 1870 diese Praxis abgeschafft und Tätowierungen komplett verboten, was erst 1948 aufgehoben wurde.
Obwohl stilistisch sehr einheitlich, gibt es eine große Vielfalt an Motiven, die oft der Mythologie entnommen sind, wie Drachen oder Dämonen, die häufig aus Sagen stammen und eine ganze Geschichte erzählen. Oder es gibt Symbole wie Kirschblüten (Schönheit und Freude, aber auch Vergänglichkeit) und Kois (Erfolg, Stärke und Glück). Ein Stil mit blutigen und grausigen abgehackten Köpfen entwickelte sich, als gegen Ende des 19. Jahrhunderts Gruselgeschichten in Japan äußerst populär wurden. Eine japanische Sitte ist es, sich zeitlebens von einem einzigen Künstler tätowieren zu lassen; oftmals entstehen daraus über Jahre hinweg großflächige Gemälde auf dem ganzen Körper, die schließlich vom Künstler signiert werden.
Tätowierungen sind in Japan noch immer stigmatisiert und werden oft als Verstrickung ins kriminelle Milieu interpretiert. Sie sind noch immer ein wichtiger Bestandteil der Yakuza-Kultur (vor allem die den kompletten Torso einnehmenden, sogenannten Bodysuits). In manchen öffentlichen Bädern wird Menschen mit großflächigen Tätowierungen der Eintritt verweigert. Aber ebenso wie im Westen werden Tätowierungen gerade bei jungen Japanern immer beliebter und dadurch einer breiteren Gesellschaftsschicht vertraut. Heutzutage gibt es in Japan viele weltweit bekannte Tätowierer (zum Beispiel Horiyoshi III), die ihr Können an ihre Schüler weitergeben. Andererseits geht durch die Tatsache, dass die Yakuza mittlerweile verboten ist, die Verbreitung von Tätowierungen unter Gangmitgliedern zurück, da diese keine Aufmerksamkeit wecken wollen. Somit löst sich in Japan die Verbindung zwischen Kriminalität und Tätowierung.
In letzter Zeit erfreuen sich auch in westlichen Kulturen Tätowierungen im japanischen Stil wachsender Beliebtheit.
Klassifikation nach ICD-10 | ||
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L81.8 | Tätowierung | |
ICD-10 online (WHO-Version 2011) |
Neben der Schmucktätowierung wird auch das (unerwünschte) Eindringen von gefärbten Partikeln in das Bindegewebe der Haut in der Medizin als Tätowierung bezeichnet – als „Schmutztätowierung“.[17]
Ursachen sind meist Unfälle mit Feuerwerkskörpern, Pulverschmauchverletzungen und Straßenunfälle. Aber auch beim Sturz eines Fußballspielers „auf Asche“ mit Schürfwunde können färbende Partikel unter die Haut gelangen. Metallsplitter in der Haut verursachen eine Braunfärbung (Siderose). Bei Bergleuten kommen Schmutztätowierungen mit Kohlestaub vor.
Während in den ersten 72 Stunden Schmutzpartikel noch durch Ausbürsten meist ohne kosmetische Folgen entfernt werden können, muss später meist eine Stanzexzision durchgeführt werden.
Beim Tätowieren müssen strenge Hygienevorschriften eingehalten werden. Diese werden nicht immer kontrolliert, deshalb ist eine gewisse Vorsicht ratsam. Es kann zu HIV-, Hepatitis- und diversen anderen Infektionen kommen. In Holland, der Schweiz und Österreich unterliegen Tätowierstudios strengen Auflagen und Kontrollen, was der allgemeinen gesundheitlichen Sicherheit in diesem Bereich sehr zuträglich war. Inzwischen werden dort die Eingriffe, Sterilisationsvorgänge, Reinigungen und Desinfektionsmaßnahmen schriftlich dokumentiert. In Österreich ist seit dem Jahr 2003 die jährliche Erbringung eines Unbedenklichkeitsnachweises durch ein akkreditiertes Institut gesetzlich vorgeschrieben. (Siehe Bundesgesetzblatt 141/ 2003)
Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Teil der Farbstoffe aus der Dermis in andere Bereiche des Körpers fortgetragen wird. Da es, im Gegensatz zu Kosmetika, für die verwendeten Farben kaum gesetzliche Vorschriften gab,[18][19] enthielten diese oft zum Beispiel Schwermetallverbindungen als Pigment. Außerdem gelten insbesondere Azo-Farben als problematisch, da sie unter Einwirkung von UV-Licht in gesundheitsschädliche Stoffe wie Azelenhydrochlorid oder verschiedene Kohlenwasserstoffe (beides Zellgifte) zerfallen. Inzwischen benutzt jeder gewissenhafte Tätowierer nur Farben, bei denen vom Hersteller ein der Tätowiermittelverordnung entsprechendes Prüfzertifikat (etwa vom CTL Bielefeld) mitgeliefert wird, daher sollten die Gefahren in dieser Richtung weitgehend behoben sein.
Bei der Entfernung von Tätowierungen mittels Laser-Behandlung können aus den verwendeten Farbpigmenten, insbesondere aus den häufig verwendeten roten Farbpigmenten Pigment Red 22 und Pigment Red 9 krebserregende Substanzen, wie beispielsweise 2-Methyl-5-nitroanilin, entstehen.[20]
Immer mehr Ärzte verweigern die Untersuchung mit dem Kernspintomographen, wenn ein Patient Tätowierungen, Piercings oder Permanent-Make-up auf der Haut trägt, weil es dabei zu Verbrennungen durch das Eisen in den Farben kommen kann.[21] Das Auftreten einer Verbrennung ist jedoch äußerst unwahrscheinlich und der zu erwartende Schweregrad einer derartigen Verbrennung gering. Wahrscheinlicher als eine Schädigung des Patienten ist jedoch das Auftreten von Artefakten.[22]
Bei der Entfernung von Tätowierungen stehen vor allem zwei Laser wegen ihrer relativ guten Ergebnisse, ihrer guten Verträglichkeit und ihres hohen Entwicklungsstandes im Vordergrund. Dies ist zum einen der gütegeschalteteNd:YAG-Laser, der frequenzverdoppelte Nd:YAG (KTP) als auch der gütegeschaltete Rubinlaser. Entscheidend für den Behandlungserfolg ist die Wellenlänge (Farbe) des Lasers, die auf die Farbe (Wellenlängenspektrum) der Farbpigmente abgestimmt sein muss. Schwarze und dunkelblaue Tätowierungen lassen sich besonders gut mit dem Nd:YAG-Laser entfernen, wohingegen der frequenzverdoppelte Nd:YAG-Laser (KTP) für rote bis gelbliche Tätowierfarben verwendet wird. Der Rubinlaser wirkt zwar auf ein etwas breiteres Spektrum an Farben, ist dabei aber nicht so effektiv wie der Nd:YAG-Laser.
Bei der Entstehung einer Tätowierung werden im Heilungsprozess (bis etwa zwei Wochen nach dem Stechen) die Farbpigmente durch körpereigene Zellen – die Makrophagen – eingekapselt. Der Körper kann daher die Farbpigmente nicht mehr abbauen, die Tätowierung bleibt erhalten.
Mit dem Einsatz verschiedener Laser lassen sich diese Makrophagen „aufbrechen“. Dies geschieht durch eine Erhitzung der eingeschlossenen Farbpigmente, die durch die Lichtabsorption so stark erhitzt werden, dass sie zerbersten. Allerdings folgt dem eine erneute Einkapselung, was Wiederholungen der Lasertherapie (je nach Farbe zwischen zwei und zehn Behandlungen) erforderlich macht.
Während der Therapie lässt sich eine Verfärbung des Tattoos erkennen, das liegt an den unterschiedlichen Abbaugeschwindigkeiten der Pigmente einer Farbe. Früher wurden allerdings häufig Farbstoffe eingesetzt, die nur schwach bis gar nicht abgebaut werden können. In diesem Fall bleibt auch eine Lasertherapie nahezu wirkungslos. Hier gilt es, vorher die Behandlung an einer kleinen Stelle auszuprobieren.
Ferner gibt es zum Entfernen einer Tätowierung noch weitere Methoden, zum Beispiel die Diathermie. Diese zerstört mit Hilfe von Mikrowellen umliegende Hautzellen, die beim Heilungsprozess mit den Farbpigmenten abgeschieden werden.
Die Entfernung von Tätowierungen mittels sog. Tattoo-Cremes ist dagegen aber weiterhin höchst fragwürdig, da ein entsprechender Wirkmechanismus nicht nachgewiesen werden konnte.
Eine weitere Möglichkeit liegt in der Entwicklung neuartiger mit Kunststoff ummantelter Farben, diese sollen sich beim Tätowieren und von der Haltbarkeit her genau wie die traditionellen Farben verhalten. Der Unterschied liegt einzig in der Entfernbarkeit. Während sich die traditionellen Farben in 5–10 Lasersitzungen (gut und weniger gut) entfernen lassen, verspricht der Hersteller eine Entfernung in einer einzigen Lasersitzung. Ursache für die gute Entfernbarkeit liegt in der Verwendung von sehr kleinen Farbpigmenten, welche normalerweise nicht in der Haut halten würden. Durch die Verkapselung von diesen kleinen Pigmenten in PMMA (Polymethylmethacrylat, medizinischer Kunststoff) wird gewährleistet, dass diese dennoch in der Haut verbleiben. Werden diese PMMA-Teilchen mit einem Laser behandelt, brechen sie auf und das Tattoo verschwindet.
Durch die Verkapselung mit PMMA kann kein Alkohol für die Herstellung der Farbe benutzt werden, da sich dieser auflösen würde. Damit scheiden die klassischen Zubereitungen für Tätowierfarben aus und es muss eine Technologie auf Wasserbasis gefunden werden. Damit ist die Farbe aber mikrobiologisch nicht stabil und erfordert zum Beispiel den Einsatz von Konservierungsmitteln, die nach der Resolution des Europarates nicht mehr eingesetzt werden sollen. Ob diese Farben dann in Brillanz, Deckkraft und Verarbeitungsqualität modernen Tätowierfarben entsprechen, wird die Praxis zeigen.
Eine typische Ausbildung wie in den Handwerksberufen gibt es nicht. Will man die Kunst des Tätowierens erlernen, so geht man formlos bei einem Tätowierer in die Lehre. Die Grundtechniken sind in der Regel in 2–3 Jahren erlernbar.
In Österreich ist eine vierteilige Prüfung vorgeschrieben, wobei der schriftliche Teil die Bereiche Dermatologie, Histologie, Anatomie, Bakteriologie und Virologie umfasst.
From: Wikipedia.de